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No 2

Aber getreu meines vor langer Zeit gewählten Mottos Immer der Angst nach, schaue ich mir also auch dieses Rauschen etwas genauer an.



Heute ist Tag 1 meiner neuen Gewohnheit, die erst noch eine werden muss.

Jeden Tag verpflichte ich mich mindestens 15 Minuten zu schreiben, günstigsterweise am Morgen, wenn der Geist noch frisch ist.

Ich komme nicht drum rum, oder nur mit gnadenloser Selbstverachtung und einer Strafe, die es in sich hat: wenn ich es nicht schaffe, für die nächsten 30 Tage nur 15 Minuten täglich zu schreiben, darf ich meine heißgeliebte Life Trust Coaching Ausbildung nicht weiter machen. Ich enttäusche damit also nicht nur mich, sondern auch mein Intervisionsteam, mit dem ich wöchentlich zusammen übe.


Aber warum ist mir das so wichtig oder die spannendere Frage lautet, warum mache ich es nicht einfach so aus Freude, ohne so eine heftige Konsequenz im Nacken?

Und warum überhaupt, wenn es scheinbar gar nicht so viel Freude bereitet, dass ich es einfach so machen könnte? An dieser Stelle merke ich, wie ein weißes Rauschen meinen Geist vernebelt und ich gar nicht weiter suchen will, weil ich schon merke, dass es unbequem werden könnte. Aber getreu meines vor langer Zeit gewählten Mottos Immer der Angst nach, schaue ich mir also auch dieses Rauschen etwas genauer an.


An sich schreibe ich sehr gern, könnte man zumindest meinen, wenn ich mir meine linierten, blanko und dotted Bücher so ansehe, die ich im Laufe der Jahre vollgeschrieben habe. Ich schreibe über meinen Schmerz, meine Erkenntnisse, meine Dankbarkeiten, meine Sprachlosigkeit und meine Fragen. Ich weiß nicht, ob es einen einzigen Text gibt, der keine Frage enthält. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass sich in den Texten der darauffolgenden Bücher, manche Antworten finden lassen. Mal sehen, ob ich das irgendwann mal überprüfen werde.

Im Grunde ist es geschrieben und dann weg. Es später zu lesen löst oft auch seltsame Schamgefühle für die Albernheit der Gedankentextur aus, was schade ist, weil es ja ein Zeichen von reifer werden ist und die Version von mir, die damals so dachte, handelte, fragte, ein Teil und ein Fragment von meinem jetzigen Selbst ist. Also bitte etwas mehr Mitgefühl meine Dame.

In den letzten Monaten lese ich immerhin die Texte des vergangenen Zyklus, um während meiner Blutungszeit beim Innehalten zu würdigen, was mich alles bewegt hat.

Der klare Unterschied ist natürlich, dass ich das für mich mache, manchmal mit dem süßen und naiven Gedanken, dass, wenn ich mal sterbe, irgendwer daraus eine postume Veröffentlichung macht, um mich bei Lebzeiten nicht trauen zu müssen, in die Sichtbarkeit zu gehen. Gleichzeitig ist da auch der Gedanke, alle Bücher vorher noch zu verbrennen. Ach ja, du liebes Paradox.

Natürlich drängt an dieser Stelle das wofür oder für wen schreibe ich dann jetzt gerade? Und überhaupt: warum habe ich mir diese Bürde überhaupt aufgeladen…? Ah, prima- die 15min sind schon seit 13 Minuten vorbei. Das darf ich dann morgen weiter erkunden.

 

Neuer Tag.

Ich habe es geschafft und sitze am Rechner für meine 15 Minuten. Die in 8 schon wieder vorbei sind, weil ich mich noch mal einstimmen wollte, auf das was ich gestern schrieb und hier und da kleine Wortveränderungen vornahm. 

Und wenn ich mich so aus der Ecke meine Küche selbst beobachte, muss ich grinsen, weil ich mir zusehen darf, wie ich mich um die Fragen herumwinde. 

Und wenn ich dann in der Einstimmung nochmals lese, wie ich stets Fragen stellte und Antworten eventuell durch Erfahrung und Reifung in späteren Journals -also vorwärts -zu finden sind - geht das bestimmt auch rückwärts. So lineare-Zeit-hinterfragen-mäßig.

Und wenn ich dann diesen Text noch mal von Anfang an lese, stoße ich auf das Wort Sichtbarkeit. Und finde dort eine Spur.


Eine Spur zu den verinnerlichten Glaubenssätzen, Verhaltensweisen und Ängsten, die gemeinschaftlich im Chor ein bekanntes Lied anstimmen möchten.

Der Takt sagt, es ist sicherer, dass Innerste zu schützen, nur mit den engsten Menschen zu teilen. Ein Tagebuch mit Schloss - niemand darf wissen, wie es mir wirklich geht.

Der Sopran singt, du kannst dich nicht interessant/spannend/witzig/tiefgründig/bla ausdrücken.

Alt tönt passend dazu, dass es eine Peinlichkeit wird und

Tenor, dass es eh keine:r lesen wird.

Bass glaubt nicht, dass ich es jeden Tag durchziehen kann und dass es nur eine flüchtige Idee sein wird, ich es nicht schaffe, meine Gewohnheiten und meinen Tagesablauf so anzupassen, dass ich eine Schreibroutine entwickeln kann und der

Bariton singt von der Angst vorm Licht, wenn es wirklich Menschen berühren könnte.

Und wenn ich grad die ersten Takte dieses Liedes höre - dann höre ich mein Warum: Weil ich ein neues Lied komponieren will für meinen inneren Soundtrack. Und für alle, die durch das Lesen inspiriert dazu werden, ihrem eigenen Orchester zu lauschen und zu überprüfen, ob ihnen das, was sie hören, überhaupt noch gefällt.


Und wenn wir feststellen, nääää - irgendwie nicht mehr mein Vibe, nichts wozu ich tanzen möchte, dann darf diese alte WestberlinMaskulin Kassette einfach in den Müll.

Dann darf es auch heißen: nein, dieses Jahr, kein Last Christmas zu Weihnachten. Mal gucken, was es noch so gibt.



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